In den ersten Monaten des neuen Jahres wird eine „S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie von Internetnutzungsstörungen“ erscheinen. Darin wird im Konsens der wichtigsten Expertinnen und Experten Deutschlands empfohlen werden, was zur Behandlung von Internetnutzungsstörungen nachaktuellem Wissensstand hilfreich ist (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/076-011).
Wer vorab wissen möchte, was denn bei Computerspielsucht „wirklich hilft“, kann in die publizierten Systematischen Reviews schauen, die gewöhnlich die besten Quellen für derartige Erkenntnisse sind. Ein solches Systematisches Review ist nicht so leicht zu erstellen. Einerseits besteht der dringende Wunsch, Aussagen zu formulieren, was denn nun wirklich hilft. Andererseits ist die lästige Frage zu beantworten, wie sicher wir diese Aussagen wirklich fomrulieren können. Diese Frage führt zu einem breiten Instrumentarium an Methoden, um beispielsweise wissenschaftliche Ergebnisse hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Allgemeinheit zu hinterfragen. Je weniger dieses Instrumentarium genutzt wird, desto eindeutiger und präsentabler werden die Ergebnisse. Eine intensive Nutzung kann dazu führen, dass die Ergebnisse nur unter großen EInschränkungen interpretierbar werden und letztlich nicht mehr pointiert genug gesagt werden kann, was gesagt werden müsste, um die Aufmerksamkeit für seinen Artikel zu bekommen.
Die Psychologen Danielsen, Mentzoni und Låg von der nördlichsten Universität der Welt (Universität Tromsø – Norwegens „Arktische Universität“) haben 2024 ein Systematisches Review der Studien zur Behandlung von Computerspielsucht vorgelegt, das die publizierten Studien mit der Kälte analysiert, die man vom hohen Norden erwarten darf. Sie zeigten, dass zu viele der bislang vorgelegten Studien methodisch zu schwach waren (kleine Stichproben, fragliche Randomisierung, etc.), um daraus zuverlässige Schlüsse zu ziehen. Sie bestätigten, dass die Studien darauf hindeuten, dass die untersuchten Behandlungen wie z.B. die kognitive Verhaltenstherapie Symptome der Computerspielsucht zu reduzieren vermochten. Die Autoren kritisieren allerdings die bisherigen Systematischen Reviews ironisch als in ihren Schlüssen „…somewhat optimistic…“. Ihr Review konnte zeigen, dass der Forschungsstand hinsichtlich der Behandlung längst nicht so fortgeschritten ist, wie vielerorts behauptet wird und es noch großer Investitionen in sorgfältige und methodisch solide Studien an hinreichend großen Stichproben bedarf. Man mag sich nun fragen, was denn dieses Systematische Review zu unserem Wissen beiträgt: Wichtig zu wissen ist, dass wir offenbar weniger wissen, als wir zu wissen meinen.
Allen, die sich für die Suchtphänomene im Zusammenhang mit der Computer-, Konsolen- und Smartphonenutzung interessieren, wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein besseres 2025! Möge die Zukunft mehr wissenschaftliche Erkrenntnisse bringen, vor allem aber möge Welt zu ihrer Ordnung zurückkehren und mögen die Kriege ausschließlich auf Gaming-Plattformen stattfinden, wo sie ausgeschaltet werden können, wenn man sie nicht mehr erträgt.
Quelle: Danielsen PA, Mentzoni RA, Låg T. Treatment effects of therapeutic interventions for gaming disorder: A systematic review and meta-analysis. Addictive behaviors 2024; 149: https://doi.org/10.1016/j.addbeh.2023.107887.
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