Die Quelle des November-Blogs ist ein Systematisches Review (eine hochwertige Studien zusammenfassende Untersuchung) über Computerspielstörung und Emotionsregulation. Bevor allerdings der in diesem Review festgestellte komplizierte Zusammenhang zwischen Emotionsregulation und Computerspielstörung angeschaut werden soll, muss zunächst der Begriff der Emotionsregulation geklärt werden.
Ihnen, mir und überhaupt allen Menschen wird unterstellt, sie würden Emotionsregulation betreiben. Regulieren wir wirklich unsere Gefühle? Mir scheint es manchmal, meine Gefühle kommen über mich wie das Wetter. Mir ist nicht immer klar, was sie auslöst oder warum sie manchmal so intensiv werden. Manchmal scheint es doch eher, als ob meine Gefühle mich regulieren als umgekehrt (?). Dennoch: Ich kann meine Gefühle beeinflussen, also reguliere ich sie. Ich kann sie z.B. akzeptieren statt zu bekämpfen. Ich kann die Ursachen des belastenden Gefühlserlebens analysieren und zu verändern suchen. Ich kann versuchen, eine Situation anders zu betrachten und sie in einem neuen Licht zu sehen. Problematisch wäre, wenn ich sie zu vermeiden oder zu unterdrücken versuche oder in ständiges fruchtloses Grübeln verfalle. Auch das sind Strategien der Emotionsregulation, wenn auch problematische. Ich gehe mit belastenden Gefühlen irgendwie um (jede und jeder tut das) – also betreibe ich Emotionsregulation.
Estupiñá et al. (2024) konnten zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen problematischen Strategien der Emotionsregulation und problematischem Computerspielverhalten gibt. Menschen mit problematischem Computerspielverhalten können häufig negative Emotionen nur schwer verstehen, sie ausdrücken und mit ihnen umgehen. Eine Verbesserung des Umgangs mit negativen Gefühlen konnte in einer Studie eine bestehende Computerspielsucht positiv beeinflussen. Dagegen kann das sich in hoher Intensität in Computerspielen zu verlieren auch eine Flucht vor negativen Gefühlen sein. Eine gelegentliche Flucht kann schon manchmal entlastend sein – allerdings besteht dabei die Gefahr, zum permanenten Flüchtling zu werden. Hilflosigkeit ist kein Zustand, der kultiviert werden sollte.
Emotionsregulation ist prinzipiell lernbar und dieses Lernen kann ein Schutz davor sein, dass sich das Computerspiel zu einer Sucht entwickelt. Es ist allerdings kritisch anzumerken, dass die diesen Erkenntnissen zugrunde liegenden Befunde fast ausschließlich an männlichen Gamern erhoben worden sind und daher möglicherweise nicht auf Frauen zu übertragen sind.
Quelle: Estupiñá FJ, Bernaldo-de-Quirós M, Vallejo-Achón M, Fernández-Arias I, Labrador F. Emotional regulation in Gaming Disorder: A systematic review. The American Journal on Addictions 2024; 33 (6): 605-620. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/ajad.13621
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