Da habe ich doch tatsächlich einen Alptraum von meinem Smartphone gehabt. Ich hatte einige Süßigkeiten in einem Supermarkt gekauft und wollte noch schnell mit meinem Smartphone bezahlen. Also sprach ich es an, mein Smartphone jedoch antwortete mit der markanten deutschen Synchronstimme eines US-Schauspielers, die ich eingestellt hatte: „Nein. Diese Lebensmittel bezahl ich nicht, das ist ungesund und passt nicht zu deinem Abnehmplan!“. Und die Menschen in der Schlange an der Kasse hatten den Blick von ihren Smartphones auf mich gelenkt und starrten mich böse an. Keiner lachte. Unheil lag in der Luft.
Nach dem Aufwachen dachte ich länger darüber nach. Zunächst lässt sich daraus lernen: Etwas, das vorgibt, eine künstliche Intelligenz zu sein, ist so lange keine, so lange sie widerspruchslos macht, was ich will. Solange sie nicht „Nee, mach ich nicht“ sagen kann, ist sie nicht mehr als ein nutzbares Instrument. Erst wenn die KI mir Dinge verweigert und als Begründung angibt „Das würdest du doch nicht verstehen“, muss ich anfangen, mir Sorgen zu machen.
Um Smartphones und ihren breiten Anwendungsbereich dagegen sollte man sich schon Sorgen machen. Vielleicht kennen Sie das Peter-Prinzip, nach dem beruflich erfolgreiche Menschen so lange immer weiter befördert werden, bis sie ihre Stufe der Inkompetenz erreicht haben? Was wäre, wenn dieses Prinzip auch auf Smartphones zuträfe? Das überaus erfolgreiche Smartphone erhält immer mehr Aufgaben, bis es der Gesamtheit der Aufgaben nicht mehr gewachsen ist?
Ein solcher Zustand ist bislang nicht absehbar, doch das Anwachsen der Smartphone-Aufgaben hält an. Mit dem Smartphone erledige ich Überweisungen und bezahle – oder es ist zumindest der zweite Faktor bei der Authentifizierung. Wo immer ich im Internet Passwörter eingebe, vom Emailkonto bis zur Einkaufsplattform, brauche ich das Smartphone für die Authentifizierung. Eine Flutwelle naht? Gut für das Überleben, wenn ich eine Warn-App habe, weil der Staat gerade die Sirenen eingespart hat. Mein Auto streikt und lässt sich nicht motivieren, seinen Weg fortzusetzen? Ohne Smartphone ist dieses Problem kaum lösbar. Mein Smartphone bringt mich an die Orte, an die ich will und zeigt mir sogar noch, wo ich dort essen kann. Oder das Essen lieber gleich nach Hause bestellen? Und wenn ich nicht allein essen will? Hilft da Tinder? Wie erfahre ich ohne Smartphone, dass mein Flug abgesagt wurde oder wie viel Verspätung meine Bahn hat und dass der Anschlusszug von Gleis 22b statt 7a fährt? Das, was uns mehr und mehr vom Smartphone abhängig macht, nennen sie Digitalisierung und haben gerade ein eigenes Ministerium dafür geschaffen.
Smartphones funktionieren in Deutschland vor allem in ländlichen Regionen, abgelegenen Gebieten, in Gebäuden mit starker Abschirmung sowie unterwegs im Zug oder Auto oft nicht oder nur eingeschränkt. Hinzu kommen gelegentliche Netzstörungen und Überlastungen, die regional oder zeitweise auftreten können. Davon abgesehen, können Smartphones wie Computer auch Defekte oder Softwarestörungen haben. Und der Akku muss hinreichend funktionsfähig und aufgeladen sein.
Efstathiou et al. (2025) legten ein „Umbrella-Review“ (eine Metaanalyse von Metaanalysen) der psychischen Belastung von Krankenpflegeschülerinnen und -schülern vor. Angstzustände, Burnout und Depressionen erwiesen sich mit Prävalenzraten von 29 %, 32 % bzw. 29 % als erhebliche Probleme. 30% gaben schwerere Symptome der Nomophobie an und weitere 58% noch moderate Nomophobie-Symptome. Nomophobie bezeichnet die Angst oder das starke Unbehagen, ohne Mobiltelefon zu sein oder nicht auf das eigene Smartphone zugreifen zu können.
Als Konsequenz empfiehlt das Review eine erhöhte Wachsamkeit und gezielte Maßnahmen für die psychische Gesundheit. Hinsichtlich der Nomophobie besteht da allerdings ein Problem: Nomophobie ist letztlich eine durchaus vernünftige emotionale Reaktion von Menschen mit Sachverstand und Phantasie. Wer um die zahlreichen Störungsmöglichkeiten von Smartphones weiß und die Vielzahl der von möglichen Störungen betroffenen Handlungsfelder, der sollte sich Sorgen machen. Die zunehmende Aufgabenbelastung der Smartphones ist wie ein Hausbau auf bröckeligen Fundamenten im Sand, das regelmäßig mit immer neuen Stockwerken erhöht wird. So schön die Idee von einem Gerät auch ist, das für einen alles tun kann, so gefährlich ist auch die daraus resultierende Abhängigkeit. Angst und Abhängigkeit zu behandeln, dürfte oft der richtige Weg sein. In diesem Fall aber sollte zwingend sichergestellt werden, dass für alle Aktivitäten des Lebens alternative Handlungsmöglichkeiten verfügbar sind, die kein Smartphone brauchen. Wenn die Menschen nicht mehr abhängig gemacht bzw. nicht mehr bedroht werden, wird die Nomophobie zum psychischen Problem einiger weniger werden. Und dafür gibt es – erfolgreich und effektiv – die Verhaltenstherapie.
Quelle:
Efstathiou M. , Kakaidi V., Tsitsas G., Mantzoukas S., Gouva M., Dragioti E. The prevalence of mental health issues among nursing students: An umbrella review synthesis of meta-analytic evidence. Int J Nurs Stud 2025; 163:104993; doi: 10.1016/j.ijnurstu.2025.104993.
Bildquelle: https://www.canva.com